Die Eisenbahnen. 79
Auch in China hat das Dampfroß seinen Einzug gehalten. Heute
läuft in Nordchina eine Eisenbahnlinie von Peking über Tientsin nach
Mukden zur transsibirischen Bahn, so daß nunmehr Europa und China, diese
beiden größten Menschenanhäufungen der Erde, in direkte Eisenbahnverbindung
gesetzt sind. Auch im deutschen Pachtgebiet Kiautschou dringt schon ein Schienen-
sträng bis Tsinanfu landeinwärts: die sog. Schantung-Eisenbahn. Im Betrieb
sind ferner die Linien Peking—hankau und Peking—pukou (Nanking gegen-
über). Die Mnnanbahn stellt die Verbindung des südwestlichen China mit den
indochinesischen Besitzungen der Franzosen her. Jedenfalls wird die Ausbreitung
des Eisenbahnwesens in China große Wirkungen haben, und zwar sowohl mit
Rücksicht auf Produktion, Handelspolitik und Güteraustausch als auch hinsichtlich
der Auswanderungs- und Arbeiterfrage.
In einer vor kurzem noch ungeahnten Weise wird der Bahnbau neuestens
auch in der Asiatischen Türkei betrieben, und zwar hauptsächlich durch deutschen
Unternehmungsgeist. Schon jetzt führt hier eine Linie von Haidar Pascha, s. von
Skutari, nach Angora und eine andere, noch wichtigere, über Konia nach Bul-
gurlu; sie soll im Interesse eines raschen Verkehrs mit Indien über Mosul und Bag-
dad nach dem Hafen Koweit am Persischen Meerbusen fortgeführt werden (Bag-
dad- oder Euphratbahn). Koweit wäre dann von London aus in 5, Bombay
in 9 Tagen (statt in 15) zu erreichen. Vollendet ist bereits die Linie Damaskus
—Mekka, die sog. Hedschasbahn, 1800 km.
Von sonstigen Bahnprojekten verdient noch Erwähnung die Fortführung der
Transkaspischen Bahn durch Zentralasien nach dem Tal des Jang-tse-kiang; sie
wird indes wohl erst in ferner Zukunft erfolgen.
Wichtigere asiatische Eisenbahnlinien.
Kleinasien und Syrien. Russisch-Jndien.
km Std km Std.
Krasnowodsk—andischan. . 1791 74
Haidar Pascha—bulgurlu . . 947 — Orenburg—taschkent . . . 1736 —
Beirut—damaskus.....147 11 Moskau—wladiwostok . . 6713 —
Jafa-Jerusalem..... 87 3 7, China
Damaskus-Mekka..... 1800 - Peking-Hankau . . . ' . 1209 36
Britisch-Jndien. Tsinanfu . . . 412 14
Berlm—pekmg..... — 14 Taae
Bombay—kalkutta..... 2250 60 Berlin-Tsingtau .... —17—22
4. Afrika.
Afrika ist lange am meisten zurückgeblieben. Verursacht wurde diese Erschei-
nung vor allem durch die Ungunst der physischen Verhältnisse. Ausgedehnte Gebiete
des Innern sind unwegsam, und außerdem steht einer nachhaltigen Ansiedlung
fremder Kulturvölker vielfach das ungesunde Klima entgegen; nimmt man noch
dazu den lange bestehenden Mangel an Lockmitteln des Verkehrs und die geringe
Rassenbegabung der Neger, so sind das Gründe genug wie für die niedrige
Kulturstufe des Erdteils überhaupt so auch für den bis in die jüngste Zeit so tiefen
Stand seines Eisenbahnwesens insbesondere.
6*
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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Extrahierte Personennamen: Haidar_Pascha
Extrahierte Ortsnamen: China Nordchina Peking Europa China Nanking China China Asiatischen_Türkei Angora Indien Mosul Persischen_Meerbusen London Bombay Damaskus Zentralasien Kleinasien Syrien Russisch-Jndien China
Damaskus-Mekka Afrika Afrika
Tie geographische Lage des Deutschen Reiches. 5
vielbenutzte Schienenwege (Gotthard, Brenner, Tauernbahn, Semmering) haben
seinen verkehrshindernden Einfluß bedeutend gemindert. Die unmittelbare Nach-
barschaft der bedeutendsten Kultur- und Handelsstaaten begünstigt in hohem
Maß den Handel und Verkehr Deutschlands.
Dank seiner zentralen Lage in Europa vermittelt Deutschland hauptsächlich
den Warenaustausch zwischen dem industriellen W. und dem vorwiegend ackerbau-
treibenden O. des Erdteils wie den Verkehr zwischen dem germanischen N. und
dem romanischen S. Zwei westöstliche und zwei nordsüdliche Weltverkehrslinien
durchschneiden das Reich in seiner ganzen Ausdehnung, nämlich die Linien: Paris—
Berlin—petersburg (Nordexpreß) und Paris—münchen—wien—konstantinopel
(Orientexpreß); dann die Linien Berlin—münchen—rom (Nord-Südexpreß) und
London—köln—gotthard—genua. Eine wachsende Bedeutung gewinnen diese
Linien durch ihre Anschlüsse im O. und So.
An das russische Bahnnetz schließen sich an:
1. die Transsibirische Bahn mit den Endpunkten Wladiwostok, Dalni
und Port-Arthur am Stillen Ozean,
2. die Linie Samara—orenberg—taschkent,
3. die Transkaspische Bahn mit dem Endpunkt Andischan am Fuß
des zentralasiatischen Hochlands.
Ferner erhält die Orientlinie in Konstantinopel ihre Fortsetzung in den Ana-
wüschen Bahnen und der Bagdadbahn, die den Zweck hat, die fruchtreichen Euphrat-
und Tigrisländer aufs neue der Kultur zu erschließen und eine neue Umlegung des
Wegs nach dem vielbegehrten Indien zu bewirken. Deutschland ist so das wichtigste
Durchgangsland des europäischen Binnenverkehrs.
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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TM Hauptwörter (200): [T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau]]
Extrahierte Personennamen: Gotthard Andischan
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Europa Deutschland Berlin—petersburg Nordexpreß Wladiwostok Stillen_Ozean Konstantinopel Indien Deutschland
78 Die Verkehrswege der Gegenwart.
In bezug auf die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes steht das Deutsche
Reich mit 60624 km (1910) unter allen Staaten Europas an erster Stelle
(Frankreich 48 782 Km, Großbritannien 37 465 km, Rußland nnt seinen asiatischen
Besitzungen 75 800 km); hinsichtlich der Dichte des Netzes gehen ihm in Europa
nur Belgien, das in dieser Hinsicht den ersten Platz behauptet, und Großbritan-
nien voran.
3. Asien.
Asiens geographische Verhältnisse erweisen sich der Entwicklung des Eisen-
bahnwesens mehrfach ungünstig. Der Kontinent ist seiner Bodengestalt nach über-
wiegend Hochland, das auf weiten Strecken Wüsten- und Steppencharakter an sich
trägt. In Vorderasien fehlt es an Kohlen, und der Norden des Erdteils starrt ein
gut Teil des Jahres von Frost und Eis. Die wichtigste Ursache der langsamen
Entwicklung der Bahnen bildet jedoch der tiefe Kulturgrad vieler asiatischer Völker.
Neuestens fängt es nun freilich an, sich in allen Teilen des Kontinents zu regen.
Des ausgebreitetsten Bahnnetzes in Asien erfreut sich Britisch-Jndien
(1910: 50677 km). Es ziehen Schienenstränge von Bombay nach Kalkutta und
von Bombay nach Madras. Der Golf von Bengalen ist mit den Toren von
Afghanistan durch die Linie Kalkutta—delhi—peschawar verbunden, und auch das
Jndustal hat seine Bahn. Von großer Bedeutung verspricht ferner zu werden die
sog. Sindbahn, welche vom Indus abzweigt und nach Belutschistan sührt, da in
ihrer Fortsetzung zweifelsohne der Anschluß des indischen Bahnnetzes an das vom
Kaspischen Meer her vorrückende russische erfolgt.
Eine außerordentlich rege 'Tätigkeit im Bahnbau hat in neuester Zeit Ruß-
land entfaltet. Seine größte Leistung in dieser Beziehung ist die Sibirische
Überlandbahn, welche Rußland mit dem Stillen Ozean verbindet; sie führt von
Slatoust und Tfcheljabinsk einerseits bis Wladiwostok, anderseits bis Dalni unweit
Port Arthur am Gelben Meer (Mandschurische Bahn, in Eharbin abzweigend).
Ihre Länge beträgt reichlich 7000 km, während selbst die längste der amerikanischen
Pazifikbahnen nur rund 6000 km erreicht.^) Die sonstigen Bahnen des russischen
Asiens sind die Jsthmusbahn durch Kaukasien (Batnm—tiflis—baku), welche
die Schiffahrtslinien des Schwarzen Meers mit denen des Kaspischen Meers ver-
bindet, die Transkaspische Bahn, die von Kiasnowodsk über Merw, Sa-
markand und Kokan bis Andischan führt, und die Linie Orenburg—taschkent.
Große Fortschritte hat das Eisenbahnwesen in Japan gemacht. Das Schienen-
netz ist dort schon so weit ausgebaut, daß eine Eisenbahnreise von Schimonoseki
über Tokio nach Aomori im N. möglich ist.
i) Bei Benutzung des schnellsten Zuges auf der sibirischen Bahn ist eine Reise um
die Erde von Berlin aus bei passenden Anschlüssen in rund 40 Tagen auszuführen.
Berlin—southampton......1 Tag
Southampton — New Hork .... 51/, Tage
New Dort—vancouver.....5 „
Vancouver— Yokohama .....13v2 „
Yokohama— Wladiwostok.....2 „
Wladiwostok— Berlin .... . . 13 ,,
40 Tage.
Tie kürzeste Dauer einer Reise um die Erde ist sogar schon auf 33 Tage berechnet worden.
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
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Extrahierte Personennamen: Arthur Schimonoseki
Extrahierte Ortsnamen: Europas Frankreich Großbritannien Europa Belgien Asien Asien Bombay Kalkutta Bombay Madras Bengalen Afghanistan Belutschistan Wladiwostok Eharbin Japan Tokio Berlin Southampton Yokohama Wladiwostok Berlin
36
Tie deutsche Katserzeit 919 — 1250.
Quedlinburg, Merseburg. Ferner schuf der König auch in Sachsen, dessen Verteidigung bisher wesentlich dem Heerbann der Bauern obgelegen Reiterei, hatte, eine Reiterei von Lehnsleuten, die geeignet war, den Kampf mit den ungarischen Reiterheeren aufzunehmen.
Wender/ Diese Truppen erprobte er zuerst im Kriege gegen die Wenderu.
trteßc' mit denen die Sachsen seit alters in Grenzfehde lagen. Mitten im Winter, als die Sümpfe des Havelbruchs gefroren waren, eroberte er Brennabor, die Hauptstadt der Heveller, das heutige Brandenburg. Auch andere slavische Stämme zwang er zur Unterwerfung; an der Elbe legte er die Burg Meißen an; auch der Herzog von Böhmen mußte sich demütigen. Mit diesen Kämpfen begann die Wiedereroberung und Germani-sierung der Gebiete östlich von der Elbe und Saale, die einst durch die Völkerwanderung für das Deutschtum verloren gegangen waren.
An der Spitze eines streitbaren Heeres stehend. konnte Heinrich nunmehr / den Ungarn den Tribut verweigern. Als sie infolgedessen im Jahre 9j& Ungarn-wiederum nach Sachsen einfielen, trat er ihnen bei Riade, d.h. wohl *933!° am Unstrutried, entgegen. Mit dem Schlachtruf „Kyrie eleison" stürmten die gewappneten sächsischen Reiter, Schildrand neben Schildrand, auf den Feind; in ihrer Mitte ritt der König, vor dem das Heeresbanner mit dem Bilde des Erzengels Michael flatterte. Diesem Angriff hielten die Ungarn nicht stand, sondern ergriffen die Flucht; ihr Lager wurde erstürmt.
936. Im Jahre 936 starb Heinrich auf seiner Pfalz Memleben an der Unstrut und wurde zu Quedlinburg begraben. Er hatte das Reich neu begründet, in Sachsen Burgen und ein schlagfertiges Heer geschaffen, den Erbfeind zurückgeschlagen, die deutschen Grenzen nach Osten und Norden vorgerückt. Mit seiner Regierung beginnt eine Zeit der Macht und des Glanzes für die deutsche Nation.
Otto I. der Grofte 936 — 973 § 37. Die Niederwerfung der aufständischen Herzöge und die Neuordnung des Reichs. Heinrichs I. Sohn Otto war ein Fürst von hoheits-
Heinrich I.
-j-936.
I___________________________________
Otto I. Heinrich von Bayern. Bruno,
1973. | Erzb. v. Köln.
Otto Ii. Heinrich der Zänker.
-s-983.
Otto Hi. Heinrich Ii.
t1002. f 1024.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Michael Heinrich Heinrich Otto_I. Heinrichs_I. Otto Heinrich_I. Otto_I. Heinrich_von_Bayern Heinrich Bruno Otto Heinrich Otto Heinrich_Ii Heinrich
154
feinen Branntwein mehr beschaffen tonnte, in den Rauchfang gehängt, in welchem unten das Feuer brannte. Zwar wurde ab und zu ein bei Mordtat ertappter Kroat am Gack gehenft oder neben dem Pranger fnieend mit dem Schwert enthauptet, aber damit trat feine Besserung ein. Ueber ein Jahr war niemand auf den Landstraßen feines Lebens sicher, und Wagenlasten sonn-len nur noch mit militärischer Bedeckung befördert werden.
Lolches geschah in den ersten 10 Jahren des Krieges, und es ist dabei geblieben, bis der Frieden nach weiteren 20 langen Jabren wieder ins Land zog. inach Prof. Alfred Kirchhoff.)
48. Gustav Adolfs Einzug in Erfurt.
22. September 1631.
Es war ein Donnerstag, an dem der Einzug Gustav Adolfs in Erfurt zu erwarten stand. Erst am Tage vorher, am 21. September, war Herzog Wilhelm von Weimar, der dem König feine Dienste angeboten hatte, vor dem Krämpfertor erschienen und ohne ernsthaften Widerstand der Torwache an der Spitze eines schwedischen Regimentes in die Stadt eingezogen. Er hatte dann den Ehrbaren Rat zu sich auf den Marftplatz vor den Graden entboten und ihm die Schlüssel der Stadt abverlangt. Sie wurden ihm auch ohne Weigerung von allen sechs Haupttoren der Stadt überreicht, so daß Erfurt beim Einzuge des Königs bereits in schwedischen Händen war.
Einzug: Die Herzen der Erfurter schlugen dem Sieger von
Breitenfeld warm entgegen. Wer nur irgend sonnte, eilte herbei, uni ihn zu sehen und ihm zuzujubeln. Schon in aller Frühe hatten die Türmer das Herannahen der Heersäulen am nördlichen Horizont bemerft und den Bürgern verfündet. Seit Mittag harrten diese, Kops an Kops gedrängt, ans die Einziehenden. Der Platz vor der „hohen Lilie", dem zum Hauptquartier des Königs bestimmten Wohnhaus des Ratsherrn Hiob Ludolf, war bereits überfüllt, ebenfo der Rubemnarft (von der Marftstraße bis zur Andreaskirche) und die Straßen nach dem Andreastor. Aber noch immer drängten neue Scharen aus dem Innern der Stadt herzu. Da ertönte um die vierte Nachmittagsstunde als erster Willfom-mengruß das Geläut der Maria Gloriosa, und sofort mischten sich die andern Glocken dazwischen. Erwartungsvoll lauschte die Menge. Endlich erklangen die ersten Trompetensansaren, und von fern sah man Waffen im Sonnenlicht des heiteren Septembertages erglänzen. Näher und näher kam das Brausen eines vieltausendstimmigen Jubels.
Begrünung: Jetzt erschien auch der König. Hoch zu Roß
ritt er vor seinen finnischen Panzerreitern einher, einfach und doch herzgewinnend. Seine frostige Gestalt überragte um Haupteslänge
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Extrahierte Personennamen: Alfred_Kirchhoff Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Herzog_Wilhelm_von_Weimar Wilhelm Hiob_Ludolf Maria
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die anderen. (Sr trug einen Elenskoller und einen grauen Hui mit grüner Feder. Sein Haar war blond, und ein starker Schnurrbart und spitzer Kinnbart zierten sein Gesicht. Freundlich blickten seine blauen Augen umher, und deutsche Grußesworte kamen aus seinem Munde. Man sah, er freute sich herzlich über den warmen Empfang der Erfurter, die mit Hüteschwenken, Tücherwehen und Kränzewerfen sich nicht genug tun konnten.
Aufenthalt in Erfurt: Vor seinem Absteigequartier wurde
er vom Erfurter Rate aufs ehrerbietigste begrüßt. Dann begab sich der König in seine Gemächer. Doch er rastete nicht lange. Schon nach kurzer Zeit erschien er wieder im Sattel. Er stattete dem Petersberg einen Besuch ab. An der Schwelle des Klosters begrüßten ihn knieend die frommen Brüder mit ihrem Abte. Freundlich hieß er sie ausstehen, entblößte selbst sein Haupt und setzte sich mit ihnen zur Tafel, zwanglos sich unterhaltend.
Noch drei Tage verweilte Gustav Adolf in der Stadt. In
dieser Zeit umritt er einmal den Stadtwall und besichtigte die
Eyriaksbnrg. Mancherlei Gedanken über eine stärkere Befestigung der Stadt sollen ihm dabei durch den Kops gegangen sein. Bevor er dann abreiste, mußte der Rat versprechen, solange der
Religionskrieg dauern würde, ihm treu und untertänig zu sein.
Weitermarsch: Am Montag wurde zum Ausbruch geblasen.
Vormittags zwischen 8 und 9 gings mit klingendem Spiel zum Brühlertor hinaus durch den Treienbrunnen nach Süden. Der
Weg führte über Molsdorf, Arnstadt, Ilmenau und Schlensingen ins Werratal und von da an den Main. (Nach Pros. Als. Kirchhofs.)
4-9. Gustav Adolfs Leutseligkeit.
Heute noch bewahrt die Riemer-Jnnnng in Erfurt ein Andenken auf, das Zeugnis von Gustav Adolfs Leutseligkeit gibt.
Als der König sich einmal von der „hohen Lilie" in den nahe gelegenen Gasthof „zum Propheten" (heute „Thüringer Hof") begab, um nach einem feiner Pferde zu sehen, hörte er aus einem Zimmer lautes Stimmengewirr. Er trat ein und erfuhr von den Versammelten, daß die Riemer-Innung soeben einen der Ihren zum Ritter schlage, d. h. nach bestandener Lehrzeit seierlich in die Gesellenschast ausnehme. Gustav Adols sragte, ob er zusehen dürste. Da dies aber nicht erlaubt war, wurde ihm bedeutet, daß er beiwohnen könne, wenn er selbst vorher zum Ritter geschlagen wäre. Der König willigte sreudig ein und wurde unter dem üblichen Gebrauch zum Ritter geschlagen. Er leerte auch den großen, tbm dargereichten Zinnpokal, den Willkommenbecher, und loste sich mit dem herkömmlichen Geschenk.
Noch zur Stunde hängt am „Willkommen" der Erfurter Riemer das ovale, vergoldete Schaustück, welches damals die Innung wohl aus des Königs Hand erhalten hat. Es zeigt auf der einen
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolf Gustav Adolf Kirchhofs Gustav_Adolfs_Leutseligkeit Gustav Adolfs Gustav_Adolfs_Leutseligkeit Gustav Adolfs Gustav_Adols Gustav Riemer
Extrahierte Ortsnamen: Erfurt Molsdorf Arnstadt Ilmenau Werratal Main Erfurt
— 156 —
Seite das schwedische Wappen, aus der anderen das Brustbild des Königs mit dem Lorbeerkran;. (Nach Pros. Alsr. Kirchhosf.)
50. Schwedens Königin in Erfurts [Dauern.
1 Aufenthalt: Zweimal hat Marie Eleonore in Erfurt geweilt. Das erste Mal erschien sie wenige Monate nach ihrem Gemahl. Es war am Shloestertage 1631, als sie ohne großes Gefolge zum Schmidtstedtertor hereinfuhr. In das Begrüßungsgeläut der großen Glocke mischte sich der lernte Donner der Wallund Burggeschütze. Aber auch die Bürgerschaft, die mit der Garnison Spalier in den Straßen bildete, jubelte ihr freudig entgegen. Die „hohe Lilie", der Stadt vornehmstes Absteigequartier, öffnete der Königin die gastlichen Pforten. Sie bewohnte dieselben Gemächer, die kurze Zeit vorher ihren Gemahl beherbergt hatten. Am Neujahrstage besuchte die Königin den Gottesdienst im Dom. Mit der Krone aus dem Haupte und umgeben von ihrem Gesolge, stieg sie die 70 Graden zu dem prächtigen Gottes hause empor. Da aber ihr Herz sie drängte, dem geliebten Gemahl entgegenzueilen, reiste sie schon am andern Tage nach Franken weiter. Doch trotz des kurzen Aufenthaltes hatten die Erfurter die Königin liebgewonnen; sie erblickten in ihr den Schutzengel der Stadt.
2 Aufenthalt: Im Oktober desselben Jahres kehrte sie noch einmal mit ihrem Gemahl nach Erfurt zurück. Gustav Adols wollte feine Gemahlin nicht dem unberechenbaren Geschick einer Feldschlacht aussetzen und Hatte darum Erfurt zu ihrer Residenz auserfeheu. Er selbst weilte nur für kurze Zeit (28. bis 30. Oft.) in der Stadt. Nachdem er fein Heer in wenigen Tagen auf dem ausgedehnten Johannesfelde geordnet hatte, zog er mit ihm nach Sachsen weiter. Am Dienstag, den 30. Oktober, drückte Marie Eleonore den letzten Kuß auf die Lippen ihres heißgeliebten Gemahls, der ungesäumt der großen Entscheidungsschlacht entgegenzog.
Kaum war der König aufgebrochen, da verlegte die Königin ihren Wohnsitz von der „hohen Lilie" nach dem Anger, wo seit Jahresfrist der schwedische Statthalter residierte. Sie erwählte das Hans zum „schwarzen Löwen" (Anger 11), unmittelbar neben der Stattbalterei (Anger 10, Haus zum „weißen Löwen") gelegen und mit ihr durch einen Durchbruch verbunden, zur Wohnung.
Tage von der Ankündigung des Todes Gustav Adolfs: Sieben Tage waren seit der schmerzlichen Trennung von ihrem Gemahl vergangen. Wieder war es ein Dienstag (6. November), und so trübselig grau, wie an diesem Nebeltag die Wolken herniederhingen, so bekümmert war das Herz der Königin. Ihre Gedanken weilten bei ihrem Gemahl, den sie in grausamer Feldschlacht glaubte. Frühzeitig senkte sich nächtliches Tun-
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Extrahierte Personennamen: Alsr Kirchhosf Schwedens_Königin Marie_Eleonore Gustav_Adols Gustav Marie_Eleonore Gustav_Adolfs Gustav Adolfs
— 186 —
Göttin. Im Innern war ein Altar mit Der Inschrift „Großmut und Tugend" erbaut. Ihn zierten die Büsten des Königs und der Königin. Junge Mädchen in lang herabwallenden Gewändern, griechischen Priesteriunen ähnlich, streuten Blumen aus und vor den Altar nieder. Von den Seiten des Tempels aus durchzogen Schwibbogen, welche mit unzähligen Lampen und Bildern griechischer Gottheiten geschmückt waren, die Vorderseite des Gartens. Im mittelsten Bogen schwebte der preußische Adler.
Große Freude herrschte an diesem Abend in der Stadt. Ein dichtes Gewühl von Menschen durchzog die Straßen und bewunderte die im Lichterglanz erstrahlenden Häuser. Besonders groß war das Gedränge in der Nähe der Statthalterei, aus deren Balkon die hohen Herrschaften zu schauen waren.
Abreise: Tags darauf reiste das hohe Paar, begleitet von
den heißesten Segenswünschen der Erfurter, ab.
Ju den wenigen Tagen hatten die Bürger den König und die Königin liebgewonnen; sie waren nun auch mit ihren Herzen Preußen.
2 Besuch: Fast noch glänzender als der erste, verlief einige
Wochen später der zweite Besuch des hohen Paares. Am 25. Juni wurde bekannt, daß der König und die Königin noch einmal zu kurzem Aufenthalt am folgenden Tage eintreffen würden. Der Einzug sollte diesmal durch das Andreastor erfolgen, da die hohen Herrschaften vom Besuche des Eichsfeldes (mit Erfurt, als zu Kurmainz gehörend, zugleich preußisch geworden) zurückkehrten.
Mit klingendem Spiel rückte die Schützenkompanie am 26. unter Mittag zum Tore hinaus. Auch die Bürgerschaft hatte sich in hellen Haufen aufgemacht, die hohen Gäste zu begrüßen. Es war 1 Uhr, als das Läuten sämtlicher Glocken das Nahen der Majestäten verkündete. In dem Glockenchor unterschied man zum ersten Male wieder das schöne „Berggeläute" der Peterskirche, das seit Aufhebung des Klosters verstummt war.
Die Majestäten kamen nicht zusammen. Der König, kein Freund geräuschvoller Kundgebungen, war vorausgefahren. Er passierte gleich im ersten Wagen, in welchem ihn niemand vermutete, das Tor und fuhr, so gut wie unerkannt, zur Stattbalterei. Die Königin erschien später. Sie saß im offenen Wagen, und es machte ihr sichtlich Freude, die warmen und begeisterten Huldigungen der Erfurter entgegenzunehmen. Sie erwiderte diese durch immer wiederholte Verbeugungen und die freundlichsten Blicke.
Gegen 9 Uhr abends versammelte sich die Bürgerschaft ans dem Ratskeller und zog von da mit Musik und Fackeln über die Neue Straße und den Anger nach der Stattbalterei. Es war eine unübersehbare Reihe, die aus Bürgern aller Stände bestand. Vor der Hofstatt schloß sich der Zug zum Kreise und ehrte das hohe Paar durch einen Volksgesang. Das Lied hatte der Diakonus Lossius gedichtet, und es wurde von der Menge nach der Melodie
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- 196 -
b) Vierzehn üage in slapoleons Diensten.
Reise nach Erfurt: Es war im September des Jahres 1808. Erfurt feierte die glanzvollen Tage des Kongresses. Der Kaiser Napoleon hatte bereits seinen Einzug gehalten und entfaltete, umgeben von vielen gekrönten Häuptern, eine Pracht, welche die Berichte nicht großartig genug schildern konnten. Auch zu uns herüber drang der Ruf von dem außerordentlichen Glanze und dem geräuschvollen Leben, und die Gelegenheit, den großen Mann des Jahrhunderts zu sehen, war so günstig und einladend, daß diele Rudolstädter sich ausmachten, Zeuge des seltenen Schauspiels in der alten Thüringer Stadt zu sein. Da die fürstliche Kapelle gerade wenig Dienst hatte — der Fürst weilte selbst in Erfurt (Anger 37) — so wurde es auch mir nicht schwer, 8 Tage Urlaub zu erhalten. An einem herrlichen, tausrischen Morgen wanderte ich mit einigen Bekannten Heiter und wohlgemut über die Berge nach Erfurt.
Besichtigung der Stadt: Mit gespannten Erwartungen langten wir nachmittags an unserem Ziele an, und in der Tat erkannte ich Erfurt kaum wieder, einen so festlichen Anstrich hatte die Stadt bekommen, ein so bewegtes Leben herrschte in ihr. Die Hauptstraßen, welche der Kaiser berührte, waren sogar fußhoch mit feinem Kies überstreut, weil der Allgebietende sich mißfällig über das schlechte Straßenpflaster geäußert hatte.
Da an demselben Tage gerade große Auffahrt war, so blieb ich nicht bei meinen Brüdern im Quartier, sondern schlenderte durch die Straßen, harrend der Dinge, die ich sehen und hören würde. Ich sollte auch reich belohnt werden. Der prächtige Staatswagen Napoleons sauste an mir vorüber. Eine Abteilung Reiterei sprengte voraus und hinterher. Tausende von Augenpaaren waren aus den Mann gerichtet, von dem damals Europas Herrscher abhängig waren. In ähnlicher Begleitung fuhr der Kaiser von Rußland, der hohe Verbündete, um deswillen vornehmlich die Fürstenversammlung von Napoleon veranstaltet worden war. Die Könige von Sachsen, Württemberg und Westfalen, der Prinz von Preußen (Futterstraße 2 u. 3) und andere hohe Herrschaften mit mehr oder minder glänzendem Gefolge schlossen sich an.
In kurzer Zeit hatte ich so eine ganze Galerie lebender Herrscher in vollem Glanze irdischer Macht und Herrlichkeit an meinem staunenden Auge vorüberfahren sehen. Ermüdet vom Schauen, aber höchst befriedigt von dem reichen Bilde, langte ich wieder in meinem Quartiere an, wo mich indessen eine sehr unangenehme Ueberraschung erwartete.
Eintritt ins Kaiserliche Orchester: Eben war ein kaiser-
licher Beauftragter bei meinem Bruder eingetreten und hatte ihm den Befehl gebracht, daß er während der Anwesenheit des Kaisers in dem Orchester des Theaters jeden Abend mitwirken müsse. Die
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Feldlager verwandelt, und zahllose Wachtfeuer lohten mit qualmender Flamme zum wetterschwarzen Nachthimmel empor.
Selbst die Domstufen dienten als Schlafstätte, und auf den Steinfliesen der Häuser brannten die Lagerfeuer und ruhten die Soldaten. Pferde und Menschen lagen nebeneinander, ermattet von den Anstrengungen der Flucht und dem ausgestandenen Hunger.
Alle Läden waren geschlossen. In höchster Eile brachten die Bürger ihre Habseligkeiten, die letzten Reste aus der langen Erpressungszeit, in sichere Verwahrung. Sie fürchteten eine allgemeine Plünderung, da bekannt geworden war, daß die fliehenden Franzosen die Dörfer ausgeraubt hatten. Es war darum ein Glück für die Stadt, daß der Kaiser in diesen Tagen mit feinem Gefolge in ihr Aufenthalt nahm. Auf seinen Befehl durchstreiften zahlreiche Wachen nach allen Richtungen die Stadt und nahmen alle, die sich einfallen ließen, Sicherheit und Ruhe zu stören, in Haft und schafften sie ins Biwak.
Unterdessen dauerte der Durchzug der geschlagenen Armee weiter fort und schien tatsächlich kein Ende nehmen zu wollen. Am Tage übertraf das Truppengewühl in den Straßen vom Anger bis zum Brühlertor alles bisher Gesehene. Nur in den Nachtstunden wurde es etwas ruhiger, da ein kaiserlicher Befehl für diese Zeit die Tore selbst feinen Soldaten sperrte. Die fliehende Armee mußte in der Nacht außerhalb der Stadt vorübermar-fchiereu.
Abreise Napoleons: In der Nacht vom 24. zum 25. Oktober verließ Napoleon die Stadt; denn die Preußen und Verbündeten waren ihr bedenklich nahe gekommen. Der Donner ihrer Geschütze rollte schon aus der Ferne herüber, selbst das Knattern des Gewehrfeuers war deutlich hörbar. So wurden schnell die Zelte niedergerissen, die Tornister gepackt und die Gewehre geschultert. Kurz nach Mitternacht marschierte eine Abteilung der kaiserlichen Garde vor der Hosstatt auf und nahm zu beiden Seiten des Eingangs Ausstellung. Dann fuhr der Reifewagen des Kaisers vor. Ihm folgte eine endlose Reihe von Kutschen. Diener mit Pechfackeln bildeten eine Ehrengasse bis zum Wagen. Nachdem dann ein lauter Trommelwirbel gerührt war, trat der Kaiser mit einem reichen Gefolge von Marschällen und Adjutanten aus dem hohen Tor. Den Kopf bedeckte der kleine Dreispitz. Des Kaisers Züge waren finster und bleich. Sein Blick streifte flüchtig die Menge. Fester schlug er den Wettermantel um sich und bestieg den Wagen. Ein General war sein Reisebegleiter. Vom Turm der nahen Wigbertikirche kündete mit dumpfen Schlägen die Glocke die zweite Stunde der Nacht.
Gerade jetzt dröhnte der Widerhall des Gefchützfeuers der Preußen und ihrer Verbündeten gewaltiger über die Stadt. Langsam fetzte sich der Zug der Wagen in Bewegung. Das Auge des Kaisers starrte schweigend in die finstere Nacht. Dachte er viel-
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